Rauhnachtsbräuche in Österreich
Wilde Weihnachten
Kultreich und historisch
Während der Nikolo klar auf ein christliches Vorbild, den Heiligen Nikolaus von Myra, zurückgeht, liegt die Herkunft des Krampus weitgehend im Dunkeln. Doch anscheinend hätten sogar schon die Kelten versucht, sich mit Fratzen, Hörnern und Fellen dem beginnenden Winter entgegenzustellen – ähnlich den Perchten, die den Winter vertreiben sollten. Auch die Griechen kannten schon Kreaturen mit Hörnern und Ziegenbeinen, etwa die Satyrn des Dionysos-Kultes. Der Bad Hofgasteiner Archivar und Brauchtumsexperte Horst Wierer ortet einen ersten schriftlichen Hinweis auf Krampusse beim Kirchenlehrer Augustinus um 400 n. Chr. Er schreibt, dass in der Zeit um Epiphanie (Dreikönigstag) die jungen Menschen in Felle gehüllt, brüllend durch die Straßen gezogen seien. Dieser unchristliche Brauch müsse laut Augustinus ausgerottet werden.
Lebendiger Krampusbrauch
In vielen ländlichen Regionen Österreichs lebt der Krampusbrauch heute noch. Er wird bereits am 5. Dezember, am Vorabend des Nikolaustages, begangen. Eine der urtümlichsten Formen des Krampuslaufs findet im Gasteinertal statt. Jeder Krampus der rund 100 Passen (Krampusgruppen) im Tal trägt eine kunstvoll geschnitzte Maske aus Zirbenholz. Die Hörner und Felle stammen von Ziegenböcken und Widdern der lokalen Bauern und Bäuerinnen. Wie anderswo auch, ist hier das Zottelwesen als Begleiter des Nikolos unterwegs. Allerdings verkörpert der Krampus im Gasteinertal nicht das Böse, sondern vertreibt es. Beim sogenannten „Rempeln“ versuchen die rauen Gesellen, einander ausschließlich mit dem Einsatz der Schulter niederzuringen, was den Triumph über das Böse symbolisieren soll.
Unheimlicher Jahreswechsel
Mystisch sind auch die Bräuche rund um die Rauhnächte. Das sind jene Nächte zwischen Weihnachten und dem 6. Jänner – wobei deren Anzahl je nach Region zwischen drei und zwölf variiert. In manchen Gebieten wird bereits in der Thomasnacht, der längsten Nacht des Jahres vom 20. auf den 21. Dezember, mit dem „Losen“ begonnen.
Losen leitet sich vom Dialektwort für Hören ab. Bei diesem Brauch möchte man durch genaues Hinhören etwas über die Zukunft erfahren. Manche Menschen treffen sich etwa an einsamen Wegkreuzungen und horchen. Die Geräusche zu interpretieren, ist nicht einfach, aber: Hört man beispielsweise zufällig fröhliches Singen, steht eine Hochzeit ins Haus. Das Geräusch einer Säge kündigt hingegen einen bevorstehenden Todesfall an.
Zweige bringen Glück
Die Rauhnächte sah man lange Zeit als besonders bedrohlich und gefährlich an. Das liegt an den Überlieferungen aus der germanischen Mythologie, wonach in den Rauhnächten etwa auch die „Wilde Jagd“ unterwegs sein soll: eine ganze Heerschar an Dämonen, die durch die Lüfte jagt und das Unglück mit sich führt. Bis heute hält sich in vielen Regionen Österreichs die Ansicht, man dürfe zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche aufhängen, weil sich die Wilde Jagd in der Wäsche verfangen könnte.
Nicht weniger gefürchtet ist die „Habergoaß“, ein ziegenähnlicher Dämon, der bei Perchtenumzügen im SalzburgerLand meist mit einem Tragekorb dargestellt wird. Man sagt, dass das gehörnte Wesen damit gerne die Kinder mit sich fortträgt.
Blühende Glückszweige
Die Zeit um Weihnachten ist natürlich nicht nur eine Zeit des Schreckens – es gibt auch schöne heidnische Bräuche: Die Mistel steht als Grundzutat des Zaubertranks nicht nur in den Asterix-Comics im Fokus. Auch in der germanischen Mythologie war sie Symbol des Glücks.
Deswegen werden zu Weihnachten auch Mistelzweige unter dem Türrahmen aufgehängt. Genau dort küssen sich gerne Paare, um eine verheißungsvolle gemeinsame Zukunft heraufzubeschwören.
Am 4. Dezember, dem Namenstag der Heiligen Barbara, werden Obstzweige abgeschnitten und in eine Vase gestellt. Blühen am Heiligen Abend alle „Barbarazweige“, darf man für das neue Jahr großes Glück erwarten.
Duftender Winterbrauch
Ihren etymologischen Ursprung dürften die Rauhnächte vom Rauch haben. Und tatsächlich ist das Räuchern – vor allem im ländlichen Raum – auch heute noch der am weitesten verbreitete heidnische Brauch im Winter. In zumindest einer Nacht zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag im Jänner wird im Haus und in den Stallungen geräuchert. Bevorzugt mit Weihrauch, um die Tiere vor dem schlechten Einfluss der Rauhnächte zu schützen.
Denn um Mitternacht sollen Tiere hier die menschliche Sprache sprechen können und über die Zukunft erzählen. Klingt verlockend, dennoch solle man den Tieren nicht zuhören, ansonsten sei man dem Tod geweiht – so der volkstümliche Glaube. Um das Schlimmste abzuwehren, wird nicht nur geräuchert, sondern es wurden in früheren Zeiten auch „Schluckbildchen“ geschluckt, kleine Zettelchen, meist mit Marienbildnissen. Heute wird aber noch geräuchert.
Wer tiefer in die Magie und die Mythen der Rauhnächte eintauchen möchte, kann an einer der stimmungsvollen Rauhnachtsführungen in Hall in Tirol teilnehmen. Dort erfährt man mehr über die Ursprünge und Rituale dieses faszinierenden Brauchtums – und spürt die mystische Atmosphäre der alten Gassen, die wie gemacht für diese geheimnisvolle Zeit scheinen.
Mystisches Österreich
Rund um Weihnachten wird nicht nur die Geburt des Christuskindes gefeiert, sondern auch so manchem heidnischen Brauch gefrönt. Dabei kann es mitunter recht furchterregend zugehen.
Als Christoph Waltz 2014 in der Jimmy Fallon Show über den Krampus sprach, gab es beim US-amerikanischen Publikum kein Halten mehr. Ungläubig vernahm man jenseits des großen Teiches, dass während der so friedlichen Adventzeit in Österreich eine maskierte und mit Fellen bekleidete Teufelsfigur umhergeht und den Kindern mit der Rute droht.
Nun, ganz so schlimm ist es nicht. Schließlich ist der Krampus der Begleiter des allseits beliebten Nikolos, der am 6. Dezember „brave Kinder“ mit Süßigkeiten und Nüssen beschenkt.
Klimaschutz-Info
Die Pflege von Brauchtum und Tradition in Österreich ist eng mit Nachhaltigkeit verbunden. Traditionen wie Almabtriebe, Brauchtumsfeste und regionales Handwerk zeugen von tiefem Respekt vor der Natur und den Ressourcen. Diese Bräuche fördern Verständnis und Wertschätzung für die lokale Flora und Fauna sowie das Umweltbewusstsein.
Brauchtum und Tradition stärken aber auch die soziale Nachhaltigkeit: Traditionelle Feste wie etwa das Maibaumaufstellen, Osterfeste oder Weihnachtsbräuche stärken den Gemeinschaftssinn und das gemeinsame Engagement für die Pflege der Region. Auch Immaterielles Kulturerbe ehrt traditionelle Rituale, Bräuche und Handwerkskünste, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Wer als Gast solche Traditionen miterlebt, taucht ein in die österreichische Kultur – und das stärkt wiederum die lokale Identität.